Dienstag, 12. April 2011

Gemüter mit Worten füttern...



von Tanja A. Wilken





Dem Sarrazin-belesenen, von Assimilations- und Extinktionsängsten gebeutelten deutschen Bürgertum muss bei der Antrittsrede des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich das Herz aufgegangen sein: „…dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt“, so ließ er darin verlauten. Die Wählerschaft beruhigt, den Seehofer glücklich gemacht. Dumm nur, wenn ein solches Zitat als „Motto“ zur Eröffnung der Deutschen Islamkonferenz, dessen Gastgeber nun einmal der Innenminister ist, die Runde macht. Die Förderung eines Dialoges steht ja bekanntermaßen unter einem schlechten Stern, wenn zuallererst einmal die Abgrenzung zum Gesprächspartner betont wird. Schwierig, schwierig.

Es ist nun wirklich müßig bereits schon wieder die Frage zu erörtern, ob und wie stark der Islam Einfluss auf die deutsche oder auch europäische Kultur genommen hat. Historische Tatsache ist, dass die arabische, sprich muslimische, Welt sich einmal über weite Teile des heutigen Europas erstreckte. Und dies brachte einiges an Einflussnahme mit sich, was sich u.a. in der Medizin, der Mathematik und in den Geisteswissenschaften niederschlug. Was mich am Verweis auf die „christlichen Wurzeln“ unseres modernen Staates samt Moral- und Wertevorstellungen besonders stört, ist, dass der Sprung in die moderne Gesellschaft ja doch hauptsächlich der Aufklärung des 18.Jahrhunderts zu verdanken ist. Es war gerade die Säkularisierung, die Trennung von Kirche und Staat, die Förderung der Toleranz (auch in Religionsfragen), die Abkehr von Herkunfts- und Standesdünkel, welche langsam den Weg in unsere modernen Gesellschaften ebnete. Religiöse, philosophische, kulturelle und ethnische Fremdimpulse hatten immensen Einfluss auf diese Entwicklung. Natürlich spielten der christliche Glaube und das Kirchenrecht eine Rolle für unseren Rechts- und Wertekanon. Aber es gibt nicht den einen Faktor, der alles ins Rollen brachte.

2006 rief der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Deutsche Islamkonferenz ins Leben. Ein Dialog auf Augenhöhe – das war die Idee; die Schaffung eines engen Austausches zwischen dem Staat und Vertretern der muslimischen Gemeinschaften. Selbstverständlich war auch das Thema „Sicherheit“ ein gewichtiger Grund für Schäuble das Gespräch zu suchen. Die Anerkennung der Menschenrechte sowie der Werte- und Rechtsordnung der BRD sollte von allen in Deutschland lebenden Einzelpersonen und Gruppierungen respektiert und gelebt werden. Allerdings verstand er es recht gut seine Forderungen als Minister für Inneres und seine Vorstellung als Initiator der Islamkonferenz unter einen Hut zu bringen: „Muslime sind Teil unseres Lebens, gehören zu unserem Volk, gehören zu unserem Land, sie sind erwünscht, sie sind akzeptiert, aber sie halten sich auch an die Regeln. Das heißt, das ist ein Prozess der Gegenseitigkeit.“ Es schien angebracht, die Muslime gesondert an einen runden Tisch zu bringen. Ihre Integration schien zunehmend ins Stocken zu geraten. Und die Ressentiments gegen den islamischen Glauben waren spürbar gewachsen.

Es gab eine Zeit, in der das „Islam-Problem“ längst nicht so präsent war wie heute. Mit dem Anschlag vom 11. September 2001 und George W. Bushs „Kampf gegen den Terror“ (wofür er ebenfalls gern das Schlagwort „christlich“ bemühte) begann eine zunehmend verengte Wahrnehmung auf die Muslime. Hinzu kam, dass die Deutschen langsam einsehen mussten, dass die irrige Vergewisserung Kohls, Deutschland sei kein Einwanderungsland, nichts anderes als das war: irrig. Mit der mittlerweile dritten Generation der Gastarbeiter vor Augen können wir feststellen, dass die ehemaligen Arbeitskräfte, nachdem sie malochten, unser Bruttosozialprodukt anhoben und Abgaben zahlten die Frechheit besaßen zu bleiben – und zu leben! Sie heirateten, zogen ihre Kinder auf und betrachteten dieses Land als ihre Heimat. Das Fremdsein aber blieb. Und wir bekamen ein gewichtiges Problem hinzu: die Ghettoisierung. Die Bildung von Parallelgesellschaften, in denen man lieber unter sich bleibt als am gesamtkulturellen, auch politischen Leben teilzunehmen. Dazu der Generalverdacht des Islamismus und die „Deutschland schafft sich ab – und die Türken sind schuld“- Hysterie. Inwieweit tragen wir aber alle gemeinsam – Deutsche wie Migranten – Verantwortung für diese Entwicklungen? Wäre die Klärung der Ursachen und die Suche nach Lösungen nicht wichtiger als das Beharren auf Unterschieden und Abgrenzung und das Schüren von Feindbildern und Ängsten?

Studien belegen mittlerweile, dass das Ansehen von Muslimen in Deutschland wesentlicher schlechter ist als in europäischen Nachbarländern. Interessanterweise liegt dies ausgerechnet daran, dass wir zu wenig Kontakt mit dem Islam haben. Wir wissen zu wenig voneinander, um Vorurteile abbauen zu können. Um dies in die Wege zu leiten, wäre ein offener und öffentlicher Diskurs vonnöten. Das Problem ist nur, dass inzwischen jeder Versuch in Polemik und gegenseitige Verdächtigungen („Integrationsverweigerer“ – „Fremdenhasser“) zu münden scheint. Dieses leidige und scheinheilige „Man wird doch noch mal sagen dürfen…“ steht dabei mittlerweile auf einer Stufe mit der Floskel, „Ich hab nichts gegen Ausländer…“. In 9 von 10 Fällen macht das folgende „aber“ die Einleitung dann aber obsolet. Konflikte müssen benannt werden, ja. Und weder Hardliner noch Verfechter der Political Correctness, noch naive Idealisten bringen uns dabei weiter.

Indem Friedrichs den Daseinszweck der Islamkonferenz auf die Sicherheitspartnerschaft reduzierte, spielte er die „Angst-Karte“ aus und will sich als Verfechter einer „Law-and-Order“-Politik profilieren. Mit seinen Äußerungen macht sich Friedrich verdächtig am Dialog kein Interesse zu haben und auch auf die Mitwirkung der Muslime, ihren Teil zum „größeren Ganzen“ beizutragen, verzichten zu können. Wenn er sich da mal nicht irrt…

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