Freitag, 22. Juli 2011

Deutsche Exportschlager...

von Tanja A. Wilken

Made in Germany – das ist seit vielen Jahrzehnten ein Synonym für Wertarbeit und Ingenieurskunst, für Produkte, die sich auch in der globalisierten Welt nicht vor der Konkurrenz verstecken müssen. Mit dem Slogan vom „Exportweltmeister Deutschland“ schmückten und schmücken sich Parlamentarier und Wirtschaftsbosse. In einer besonderen Sparte belegen wir zurzeit einen hervorragenden dritten Platz gleich hinter den USA und Russland. Dumm nur, dass es sich bei diesem Wirtschaftszweig um eins dieser „Schmuddelkinder“ handelt, für die man besser keine Hochglanzwerbung zur besten Sendezeit schaltet: die Rüstungsindustrie. Kaum von der Öffentlichkeit registriert, verdient der deutsche Staat an der Verschiffung von Flugzeugen, U-Booten, Minensuch- und –räumgeräten und Feuerwaffen viel Geld. Sehr viel Geld. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI schätzt, dass 2010 weltweit etwa 1630 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben wurden – deutsche Hersteller und Exporteure werden ihren Teil davon abbekommen haben.

Das Geschäft mit Waffen boomt. Und natürlich bedienen deutsche Hersteller wie „Heckler & Koch“ nicht nur den heimischen Sportschützenbedarf. Das kann man wissen. Warum also jetzt diese Aufregung um den Verkauf von 200 Leopard-2-Panzer an Saudi-Arabien (geschätzter Gegenwert 1,7 Milliarden Euro)? Weil der Zeitpunkt falsch gewählt ist? Man kann tatsächlich einwenden, dass die außenpolitische Botschaft nach unserer Zurückhaltung beim Libyen-Einsatz und den eher vorsichtigen Kommentaren zu den Ereignissen des arabischen Frühlings nun eine sehr zwielichtige Lesart bekommt: „Erst die Geschäfte, dann die Menschenrechte“.

Allerdings kann sich das repräsentative moralische Gewissen in Gestalt der Opposition ihr Aufheulen an dieser Stelle sparen. Rüstungsexporte sind keine Erfindung von Schwarz-Gelb: unter der rot-grünen Regierung stieg der Wert an deutschen Kriegswaffenausfuhren ab 1998 stetig an. 2004 betrug er laut offiziellen Angaben (die erst zwei Jahre später präsentiert wurden) stolze 1,1 Milliarden Euro – das ist der dritthöchste Wert seit 1996. Besonders bemerkenswert ist dabei die sozialdemokratisch-ökologische Definition des Begriffs „Entwicklungshilfe“: Ein Drittel aller Rüstungsexporte gingen an Entwicklungsländer. Also an Regionen die bekannt sind für ihre wirtschaftliche und politische Instabilität!

Auch der Panzer-Deal mit Saudi-Arabien war schon einmal Gegenstand heißer parlamentarischer Debatten: 1981 scheiterten Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher – damals allerdings an der schwarzen christlich-demokratischen Empörung. Mehr Glück hatte Riad mit Helmut Kohl. Unter dem Einheitskanzler kamen Waffendeals im Wert von 110 Millionen Mark zustande. Und noch bis 1990 wurden Exporte von Chemieanlagen und Chemikalien in den Irak genehmigt und spülten 3,9 Millionen in die deutsche Staatskasse. Angesichts der fetten Ausbeute hatten wohl nur wenige Bonner Politiker Saddams Giftgasfabriken im Sinn.


Es spielt keine Rolle, welche Regierungskoalition man genauer unter die Lupe nimmt: Waffenexporte gab es zu jeder Zeit. Und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich dies in absehbarer Zukunft ändert.


Wenn sich dann von Zeit zu Zeit - wie jetzt - die oppositionelle „Vernunft“ mahnend zu Wort meldet und auch die Bürger Notiz nehmen, verweist man auf die harschen Kontrollen und Gesetze. Darauf, dass längst nicht jeder Anfrage aus dem Ausland nach deutschen Rüstungsgütern stattgegeben wird.

Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz reglementieren in Deutschland den Export. Der Bundessicherheitsrat unter Leitung des Bundeskanzlers entscheidet über die Waffengeschäfte – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das übrige Parlament erfährt erst im Nachhinein, welche Deals mit wem zustande gekommen sind. Es ist auch schwierig, genaue Angaben über den erzielten Umsatz zu erfahren. Die Bundesregierung beispielsweise gibt generell niedrigere Zahlen an als SIPRI, da sie z.B. den Handel mit Restbeständen der Bundeswehr aus der Statistik herausfallen lässt. Transparenz sieht anders aus.

§ 6 des KrWaffKontrG verbietet die Lieferung von Waffen an Staaten, wenn die Gefahr besteht, dass diese zur „friedensstörenden Handlung“ benutzt werden (z.B. für Angriffskriege). Die Ausfuhr in Krisengebiete ist untersagt ebenso wie an Staaten, die die Menschenrechte eklatant missachten. Aber was verstehen Waffenexporteure und der deutsche Staat unter „Krisengebiet“ und „eklatant“? Es war kein Problem für die Bundesregierung in früheren Jahren die Taliban mit Waffen zu bestücken – Afghanistan galt also nicht als Krisengebiet. Libyens Gadhafi galt als berechenbarer Bündnispartner, den man mit deutschem Kriegsgerät ausstattete, damit dieser bei der „Grenzbefestigung“ behilflich sein konnte.

Parteinahme kann man Unternehmern und Staat nicht vorwerfen. Man beliefert die eine Seite und rüstet die andere gleich mit auf, wie im Fall Türkei und Griechenland, die derzeit zu den Hauptabnehmern gehören. Das ist Gerechtigkeit! Jeder bekommt einen Teil des Kuchens.

Im Falle Saudi-Arabiens, ebenfalls kein Musterbeispiel für die Anerkennung allgemeiner Menschenrechte, wird zur Argumentation der iranische Erzfeind in die Waagschale geworfen. Die Saudis sind zwar keine Freunde Israels aber ein wichtiger Gegenpol zur potentiellen iranischen Atomgefahr.

„Der Feind meines Feindes…“ Auch diese Gleichung funktionierte in der Vergangenheit immer nur kurzfristig. Egal, wen wir bisher im Nahen und Mittleren Osten waffentechnisch unterstützen, um Stabilisierung zu erzeugen: das Gleichgewicht zwischen den Kräften war bestenfalls provisorisch. Früher oder später wurden deutsche Waffen nicht mehr (nur) benutzt, um sich gegen Feinde zu verteidigen, sondern dafür, die eigene Bevölkerung in Schach zu halten oder auch, um den einstigen Verbündeten im Westen zu bedrohen.

Öffentlich wirkt das geopolitische Argument natürlich besser als die nackten wirtschaftlichen Interessen. Tatsache aber ist, dass sich die Wirtschaftskrise auch auf die Militärausgaben auswirkt. Hinzu kommt, dass mit der Abschaffung der Wehrpflicht und dem Sparzwang, unter dem die Bundeswehr steht, diese als Großabnehmer immer mehr ausfällt – gut also, dass die Saudis deutsche Wertarbeit zu schätzen wissen, die revolutionären Tendenzen um sich herum nicht gutheißen und den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad fürchten. Zwischen russischen, amerikanischen, europäischen und chinesischen Waffenhändlern entbrennt der Kampf um die weitere Erschließung eines lukrativen Marktes – im Nahen Osten, in Nordafrika und Südamerika. Keine Lieferung in Spannungsgebiete? Die Regeln des Marktes besagen aber, „wenn wir´s nicht machen, macht es ein anderer!“

Und so werden sich weiterhin hehre Vorstellungen, wie die von der deutschen Nation als Friedensstifter (so will es schon die Präambel des Grundgesetzes!), mit der wirtschaftspolitischen Wirklichkeit reiben. Und zurückstehen. Denn unsere Politiker denken in Aufträgen (so Entwicklungsminister Dirk Niebel) und wollen deutschen Unternehmen die Türen für den globalen Markt öffnen (Außenminister Guido Westerwelle). Ein bisschen mehr Weitsicht für das, was sich hinter der Tür auftut, hat aber noch keinem geschadet.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Der virtuelle Stammtisch...

von Tanja A. Wilken

Unsere durchs Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit ist eine feine Sache, ein demokratisches Fundament. Der Pfeiler einer freien Gesellschaft, in der die Meinung eines jeden geachtet wird. Kein Propaganda-Ministerium schreibt uns vor, was wir zu denken, zu sagen und zu schreiben haben. Und das Internet ist eine junge Form, diesem Recht Ausdruck zu verleihen. Die Freiheit geht einher mit einer Unbegrenztheit, wie sie nur das World Wide Web jedem zur Verfügung stellt, der über PC und Internetanschluss verfügt. Zur Meinungsfreiheit gehört auch unbegrenzte, zensurfreie Verbreitung persönlicher Ansichten. Auch wenn zur eigenen Weltsicht Verschwörungstheorien und rassistische Diskriminierungen gehören. Die Reihe von Plattformen, die den Rassismus im neuen Gewand – gerne bezeichnet als Islamophobie – hofieren, ist beachtlich. Die Parallelen zum Antisemitismus sind unübersehbar – und werden von Betreibern doch weit von sich gewesen.
Im Vordergrund stehe die Sorge um die Bedrohung der Freiheit durch die Islamisierung unserer Gesellschaft. Der Islam sei keine Religion, sondern eine Gesellschaftsform mit Weltherrschaftsanspruch, die den Hang zum Terrorismus seinen Mitgliedern mit der Muttermilch einimpft. Wer hier gleich an Hetze denkt… nein, um Kritik geht es, um die Wahrung der Menschenrechte und der Demokratie! So sagen es die Betreiber einschlägiger Foren. Und man achtet tunlichst darauf, die „redaktionellen“ Beiträge seiner Autoren am Gesetz (sprich: unterm Radar des Verfassungsschutzes) auszurichten. Um zu sehen, wie aus vermeintlicher Kritik nichts als ein Podium für blanke Hetze wird, muss man den Blick unter die Artikel auf die Kommentarleiste richten: hier reiht sich ein rassistisches Vorurteil ans nächste; der virtuelle Stammtisch tobt sich aus und beleidigt alles vom „Kanaken“ über die vom Ausländer ferngesteuerten Politiker bis zum weichgespülten Gutmenschen. Von den Menschenrechten, der Menschenwürde, einem entscheidenden Grundsatz des von den Machern so viel beschworenen Grundgesetzes bleiben zwischen Verleumdungen, Bedrohungen und Ausrottungsphantasien nicht mehr viel übrig.

Tja, jedem steht es zu, seine Meinung zu haben, „und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. So steht es geschrieben, so ist es. Dabei die Meinung zu vertreten, die eigene Nation werde von Fremden unterwandert, ist geschriebenes Recht. Kritikern dieser Seiten wird die Unterstützung und Verbreitung neorassistischen Gedankenguts vorgeworfen – auch das ist Recht.
Um zu erkennen, was Kritik von Hetze unterscheidet, müssen wir fragen: Was ist das Wesen der Kritik? Wir kritisieren Dinge und Zustände, weil wir auf eine Veränderung hoffen. D.h. Kritik muss zuallererst differenziert sein. Selbst wenn sie auf dem ersten Blick polemisch daherkommen mag, sobald es ums „Eingemachte“ geht, darum, dass aus einer bloßen Äußerung eine Stellungsnahme wird, die Veränderung bewirken will, muss sie sich der Gegenargumentation stellen. Kritik und Meinungsfreiheit beinhalten eben nicht Pauschalisierung. Wie wirkt man der entgegen: durch Informationen, die uns erlauben verschiedene Sichtweisen kennen zu lernen, die unserer eigenen Meinung entgegenstehen. Und ab hier wird es knifflig, denn die vermeintlichen Wächter der Meinungsfreiheit, die ihrerseits den gängigen Medien Mitwirkung an der Vertuschung der islamischen Gefahr unterstellen, verzerren die Informationen, die sie zur Verfügung stellen, doch ganz erheblich: aus der Freiheit der Meinungsbildung wird reine Meinungsmache. Man gibt vor, sich aus den unterschiedlichsten Medien zu bedienen, um ein ungetrübtes Bild der Wahrheit vor dem Leser auszubreiten.
Die Methoden der Meinungsmache sind uralt, sie funktionieren, seit es Zeitungen und Politik gibt: jemand schwingt sich zum Sprachrohr einer vermeintlichen Mehrheit (siehe jede zweite BILD- Überschrift, z.B. „Wir Deutschen“, „So denken die Deutschen tatsächlich über XY“) oder einer bedrohten Minderheit („Wir unterdrückten Deutschen gegen die schleichende Islamübernahme“) auf und gibt vor, eine „aufgeklärte“ Gegenöffentlichkeit bilden zu wollen. Dann wird zwecks der plattformeigenen Propaganda manipuliert, aus dem Zusammenhang gerissen, Versatzstücke präsentiert, passende Sprachbilder geschaffen, um gewünschte Assoziationen zu wecken. Statistiken dienen ja auch immer dem, der sie gerade liest. Zudem hetzen die Betreiber den eigens gefütterten Mob nebst erprobtem Kampfvokabular auf die Sites anderer Magazine, gerne auf bekannte und viel frequentierte Tageszeitungen, wie die „Taz“ und „Die Welt“. Dient natürlich alles nur der freien Meinungsbildung. Oder der Verbreitung eines höchst eingeschränkten Weltbildes.

Die Freiheit als mächtige, Demokratie stiftende Größe, tragen die Macher und Kommentatoren wie eine Fahne vor sich her. Allerdings entscheiden sie, wem diese Freiheit zuteil wird. Unpassende Kommentare (vornehmlich die, welche sich kritisch zu den Aussagen der Artikel äußern) werden von den Betreibern gelöscht oder – viel spannender und zudem Gemeinsinn weckend - den anderen Stammtischteilnehmern zum „Abschuss freigegeben“. Freiheit gehört den meinungskonformen (in diesem Sinne ausschließlich „Ausländer- kritischen“), weißen Männern, die keinesfalls „rotes Geschmeiß“ wie die Linken, Grünen oder die SPD wählen (welche Auswahl da noch übrig bleibt, kann man sich ja denken).

Es gehört auch zur Meinungsfreiheit, sich ausschließlich in solchen Foren zu tummeln. Wer sich also der gezielten Agitation aussetzt, ist der dumm oder hilflos? Die Antwort entscheidet sich von Fall zu Fall. Die Idealisten müssen sich von der naiven Vorstellung verabschieden, dass jeder Mensch sowohl willens als auch fähig ist, sich der Meinungsmache zu entziehen. Im Kreise Gleichgesinnter fühlen wir uns nun mal am wohlsten. Nicht jeder empfindet Konfrontationen und Diskussionen als belebend. Und nicht jeder würde, hätte er nur brauchbare Informationen zur Hand und alternative Quellen zur Verfügung, seine Einstellung ändern. Es bleibt nur zu hoffen, dass manche die freie Welt des Internets nutzen, um sich hin und wieder woanders umzusehen.