von Tanja A. Wiken
Wie hätten wir ihn denn gern, den guten Migranten? Nett soll er sein. Verfassungskonform und patriotisch. Assimiliert mit der deutschen Kultur. Gewandt in der Sprache. Und bitte, bescheiden im Hintergrund. Aber nicht lauernd! Parallelgesellschaften und Ghettoisierungen sind schlecht – was nicht heißt, dass er eine Gartenlaube in direkter Nachbarschaft zu Meier und Schmidt haben muss. Überhaupt, Cliquenbildung sehen wir nicht gern – das wirkt so verschwörerisch. Am liebsten ist uns der Ausländer oder Migrant, den wir nicht wahrnehmen, von dessen Anwesenheit, religiösen und kulturellen Eigenarten wir nichts mitbekommen. Sein Essen nehmen wir gern, seine Moscheen kann er behalten. Sozialschmarotzer soll er nicht sein – die Arbeit aber den Deutschen lassen. Ausgenommen natürlich die Tätigkeiten, die wir selbst nicht machen wollen: Müll entsorgen, Toiletten in Fastfood-Restaurants schrubben, mit gebücktem Kreuz den lieben langen Tag Spargel stechen usw.
Der gute Migrant ist nach Möglichkeit bitte nicht osteuropäisch: die sehen schon so verschlagen aus. Die Russen sind mafiös und die Türken prügeln und vermehren sich zuviel. Wie der schlechte Migrant aussieht, was er so treibt, wissen wir ganz genau: Dieses Bild hat sich durch jahrzehntelange Alltagserfahrung (z.B. im Berliner „Sarrazin-Land“) und durch objektive Berichterstattung geprägt: „Prügel-Türken“, „Rote Rüpel“ & „Gyros-Bomber“ (kleine Auswahl aus dem BILD-Wörterbuch).
Lieb ist uns der Ausländer, der im Deutschland-Trikot Tore schießt. Der, über den wir lachen können – weil er als Comedian über seine Leute herzieht (den feinen Spott am Deutschtum können wir dabei gönnerhaft übersehen). Und der, der seine Herkunft verleugnet. Naja, ansehen tun wir`s ihm natürlich trotzdem. Ist schon vergebliche Liebesmüh. Aber den unbedingten Willen zum Abstreifen alles Griechischen, Türkischen, Serbischen wollen wir schon. Sonst hat das ja nichts mit Integration zu tun.
Erfreuen können wir uns auch am Vorzeige-Migranten. Dem mit Hochschulabschluss, Job in der Forschung, mit Parteibuch (vorzugsweise SPD oder CDU). Jemand der suggeriert: „Ich bin Keiner mit kulturzersetzendem Auftrag!“ So einen kann man gebrauchen für Werbetafeln und Commercials (dafür nimmt man aber auch gerne ukrainische Boxer), als Gegenbeispiel für den U-Bahn-Schläger / Integrationsverweigerer. Und zur Imageverbesserung einer Partei.
Und wenn man bisher versäumt hat, den Vorzeige-Migranten in die Parteiführung durchzulassen, dann muss halt eine Quote her. Die SPD hatten diesen grandiosen Vorschlag jüngst zur Disposition gestellt. Wenn selbst Grüne, FDP und die CDU Migranten auf bedeutende Posten setzen, kommt die ursoziale Partei in Zugzwang, dachte sich Gabriel, kam aber nicht so recht an bei den anderen Genossen. Es ist ja auch so: Es gibt wohl kaum ein unbeliebteres Instrument in Wirtschaft und Politik als die Quotenregelung. Dabei will man damit – vordergründig – ja nur Gutes: ein Ungleichgewicht beheben, diskriminierte Gruppen stärken, also Frauen, Behinderte und nun Migranten. Dummerweise haftet der Quotenanstellung etwas pauschal Verurteilendes an: Man stellt ein, weil einem noch der politisch korrekte Rollstuhlfahrer fehlt, weil die durchgängig männliche Führungsriege im DAX- Unternehmen so wenig weltmännisch wirkt und weil man, z.B. den Parteiausschluss gegen einen Verbreiter irrlichternder Genetik und Abtrünnigen ureigener sozialdemokratischer Grundsätze („Herkunft ist kein Schicksal!“) vergeigt hat und einem die ganzen Migranten (dummerweise eine Hauptklientel) aus der Partei davonlaufen.
Man könnte aber auch argumentieren, dass Quoten Missstände nicht beheben, sondern Vorurteile noch schüren: Wer nach Quote eingestellt wird, wird nicht zuvorderst aufgrund seiner Qualifikation eingestellt. Sagt man. Stimmt vielleicht nicht unbedingt, aber manche Klischees halten sich hartnäckig.
Zudem birgt es das Problem der Klassifikation. Was bei der Frauenquote relativ einfach ist (man kann sie ja ganz gut erkennen), gestaltet sich schwierig bei der Migrantenquote: Um als leuchtendes Beispiel des guten Migranten in die Parteigremien einziehen zu können, muss erst mal geregelt sein, wie viel Quantum am Migrant-Sein erfüllt werden muss. „Wie viel Prozent Ausländer und wie viel Prozent Deutscher hätten Sie denn gern?“ Die Quote, die eigentlich eine Stärkung sein soll, wird zum Ausmusterungs-Werkzeug.
Ein bisschen ist es auch so, dass in der Forderung nach einer Quotenregelung das Eingestehen des eigenen Versagens mitschwingt. Ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Eintreffen der ersten Gastarbeiter haben wir immer noch ein sehr „bescheidenes“ Bild vom Migranten. Besser sicherlich als zu anderen Zeiten. Aber wir unterteilen, klassifizieren, etikettieren: die Guten gegen die Bösen. Nette, aber faule (zumindest verschwenderische) Südländer und böse, kriminelle Osteuropäer.
Diskriminierungen gab es zu allen Zeiten. Frauen, Schwule, Schwarze... Es ist eine endlose Liste. In den allermeisten Fällen änderte sich das Bild der „schwachen Frau“, des „unterprivilegierten Schwarzen“, des „perversen Schwulen“ nur durch einen zähen, langwierigen Kampf, durch eine beschwerliche – aber durch den Lauf der Zeit (und mittels Gesetze) gestützte – Emanzipation. Auch wenn viele Vorurteile weiterhin nicht auf taube Ohren stoßen – die Bilder ändern sich, allen Quäkern und Philistern zum Trotz.
Wäre ja auch dumm, bliebe an uns ewig das Bild des besserwisserischen, nörgelnden, latent xenophoben Deutschen kleben, der seinen Spargel nicht selber stechen will und den armen Griechen androht, ihnen ihre Akropolis im Ramschverkauf zu entreißen.
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