Donnerstag, 8. September 2011

Historische Zeiten...


von Tanja A. Wilken


Sechs Monate sind vergangen zwischen dem „Tag des Zorns“, dem Aufruf der Regimegegner gegen Muammar al-Gaddafi, und der Einnahme der Herrscherresidenz in Tripolis. Die Menschen in Libyen feiern. Sie tanzen auf den Straßen. Maschinengewehrsalven erleuchten die Nächte, nicht als sichtbare Zeichen der Grabenkämpfe zwischen Getreuen und Aufständischen, sondern zur Illuminierung des Triumphs. Auf Plakaten und Jeeps prangt die Botschaft „Thanx NATO“. Die westlichen Kräfte, allen voran Frankreich, mauserten sich vom zögerlichen Zaungast zu Unterstützern einer historischen Bewegung: Der Ausbruch der lauten Empörung in den Ländern Nordafrikas. Tunesien und Ägypten entledigten sich bereits ihrer Diktatoren, al-Gaddafi ist noch auf der Flucht. Aber „frei“ ist er nicht mehr. Die Reihen seiner Freunde lichteten sich, nachdem sich sogar die Arabische Liga im Februar dazu entschloss, ihn zur „persona non grata“ zu erklären; zu einem Zeitpunkt, an dem sich die EU noch mit einer härteren Gangart schwer tat.

Mit der Erstürmung von Tripolis ist der Spuk noch nicht vorbei. Und die, die bereits jetzt hämisch schmunzelnd verlautbaren lassen, dass mit dem vorläufigen Ende des Bürgerkriegs nichts gewonnen ist, haben recht: Man errichtet nicht über Nacht blühende Demokratien. Bei aller Sorge und Nachdenklichkeit, bei aller Vorsicht und Skepsis, sollten wir es uns nicht entgehen lassen, an diesem Prozess teilzuhaben. Das libysche Volk, sofern das von diesem selbst gewünscht wird, zu unterstützen, ist für unsere eigene Positionierung und Sicherheit ein ebenso wichtiger Schritt, wie die Verabschiedung der Resolution 1973. Was nun folgen muss, die politische und wirtschaftliche Stabilisierung Libyens, ist ein langer Weg. Und einer, den es sich zu gehen lohnt. Besonders Deutschland sollte ein besonderes Interesse daran haben, das durch seine unterlassene Hilfeleistung verlorene Vertrauen bei seinen Bündnispartnern wiederzugewinnen.

Die Freigabe der Gaddafi-Milliarden, geerntet durch die jahrzehntelange Ausbeutung des Landes sowie die Anerkennung der Übergangsregierung als offiziellen Ansprechpartner sind erste Schritte. Das Volk selbst befindet sich bereits in der Phase des Wiederaufbaus. Die Bereitstellung von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln ist dafür wichtig. Für die lokalen Komitees im ganzen Land bräuchte es Unterstützung bei der Installation von Gerichten. Weitreichender und von der deutschen Kanzlerin bereits zugesagt, ist die Ausbildung von Polizisten. Immerhin laufen derzeit Dreizehnjährige mit Waffen durch die Straßen Bengasis und Tripolis‘. Freiheit erkämpfen ist eine Sache, ein Volk auf dem Weg zur Selbstbestimmung derart zu unterstützen, dass aus der Niederschlagung der einen Diktatur keine neue entsteht, eine andere. Dabei sollte Europa nicht seine jahrhundertealten Fehler wiederholen. Wir haben die Kolonialzeit hinter uns und dies ist auch kein Einführungskurs „Demokratie für Dummies“. Entscheidend ist, was will das Volk Libyens? Will es Hilfe? Wenn ja, und die Zeichen stehen gut, dann ist Hilfe selbstverständlich an westliche Interessen gekoppelt. Aber diese, unsere Interessen müssen eine Partnerschaft anstreben, keine fortgesetzte Ausbeutung. Und ja, Europa wird Bequemlichkeiten einbüßen auf lange Sicht; wirtschaftliche, wenn ein arabischer Staat die gleichen Anteile vom Kuchen verlangt und politische, wenn wir Nordafrika nicht mehr als Abfangbecken für ungeliebte Flüchtlinge ins Spiel bringen können.

Wir müssen Libyen helfen, weil ein Land im Umbruch angreifbar ist (was immer auch eine potentielle Gefahr für uns bedeutet). Seine Nachbarn betrachten die Entwicklung nicht nur wohlwollend. Und sowohl im Land selbst wie auch in den angrenzenden Staaten finden sich weiter Gaddafi-Treue. Ein Staat im Wandel ist beeinflussbar. Nicht nur der Westen fragt sich, wie groß der Einfluss von al-Qaida-Sympathisanten innerhalb des Übergangsrats ist, und Länder wie Algerien, welche der Herrscherfamilie Asyl gewährten, lehnen die westliche Einmischung, militärisch wie politisch, konsequent ab. Trotzdem hat die internationale Gemeinschaft gute Chancen, nicht nur weil Algerien relativ isoliert da steht, sondern weil durch die Gewährung der militärischen Unterstützung ein neuer Grundstein gelegt wurde. Entgegen den Unkenrufen mancher arabischer Länder - wie Algerien und Saudi-Arabien - sind die Libyer selbst dankbar für die NATO- Hilfe. Dies ist eine Chance, nach dem „christlichen Feldzug“ gegen die radikalislamische Bedrohung, nach den Verschleppungen und der Folter, nach der Rechtsbeugung und dem westlichen Verrat der eigenen Werte und der Selbstbeschädigung der Demokratie, eine Saat für Partnerschaften ohne Argwohn auszulegen. Wir, die wir doch immer so großen Wert auf „Stabilität“ in den afrikanischen Ländern legen, fragen wir uns, was ist besser für die Sicherheit des Westens, was wirkt dem immer wieder beschrienen Untergang des Abendlandes wirksam entgegen: Misstrauen und Paranoia oder ein freier, selbstständiger Verbündeter? Müssen wir uns die Frage tatsächlich stellen, warum wir, warum Europa und die USA, ein gesondertes Interesse an den Entwicklungen im arabischen Raum haben?

Um den Wandel zu festigen, braucht das Land die Zusammenarbeit mit Europa. Wir sollten dies nutzen, nicht ausnutzen, um eine Balance herzustellen. Wir haben wirtschaftliche Interessen (Öl und Gas, Solaranlagen), Libyen hat Potenzial in Form junger, williger Menschen, die lernen und leben wollen, die ihr Land aufbauen wollen. Wir können Unterstützung bieten bei der Ausbildung, beim Studium, bei der Gesetzes- und Parlamentsbildung, bei der Errichtung staatlicher Institutionen und dem Bankenwesen. Mit der politischen Stabilität verbessert sich der Boden für wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Investitionen. Vom Austausch profitiert jeder Staat mehr als von der Einigelung und Abschottung. Die Jungen Libyens sind derzeit mehr am Schritt in die Zukunft als an dem in die Vergangenheit in Form religiöser Indoktrination interessiert. Nicht zufällig hat sich al-Qaida bisher offiziell sehr zurückhaltend gegenüber dem „Arabischen Frühling“ geäußert, sind doch die Forderungen der Rebellen und Demonstranten von denen der Gotteskrieger zu verschieden. Dies gilt es zu nutzen, mit ausgestreckter Hand, nicht mit zuknallenden Türen. Also, vielleicht sollte Europa, besonders auch Deutschland, über Stipendien und Visa für Lernwillige nachdenken. Wirtschaftlich und politisch profitieren wir auf lange Sicht davon.

Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Geschichte in Nordafrika schneller voranschreitet als in Europa. Der lange Atem ist häufig das, was uns fehlt. Wir Europäer müssen es ja wissen, denn auch die Französische Revolution, unser historischer Aufstand, führte nicht nahtlos in blutfreie, liberale Staatengebilde: die europäischen Länder brauchten ein ganzes Jahrhundert, um vom Staatsstreich über gewalttätige Unterdrückung zur Demokratie zu gelangen. Daran sollten wir uns erinnern bei der Frage, ob wir unbeteiligte Beobachter bleiben wollen.

Mittwoch, 24. August 2011

Feind im Innern...

von Tanja A. Wilken

Seit dem 22. Juli heißt es Umdenken. An diesem Tag erreichte der Terror Norwegen: zuerst detonierte im Osloer Regierungsviertel eine Bombe. Während verletzte Menschen noch durch die vom Trümmerstaub vernebelten Straßen liefen und Polizei und Feuerwehr mit Hundertschaften vor Ort – und abgelenkt – waren, begann auf der Insel Utøya ein Blutbad. Anders Behring Breivik, 32 Jahre jung, bewaffnet mit einem Halbautomatikgewehr, welches er mit Teilmantelgeschossen geladen hatte, machte Jagd auf die jugendlichen Teilnehmer eines sozialdemokratischen Zeltlagers.

Während die ersten Schlagzeilen über den Bildschirm liefen und bevor der Täter identifiziert war, hatten sowohl die ersten Terrorismusexperten wie auch die ersten Blogger und selbsternannten Verteidiger Europas auf den einschlägigen Sites die Quelle des Angriffs ausgemacht. Und auch viele von uns Toleranzbefürwortern dachten, dass der Terror von radikalislamischer Seite auf die Norweger einschlug. Beschämend? Nachvollziehbar? Durch die Terrorakte in Norwegen wurde einmal mehr unser Reflex deutlich, die Feinde unserer Gesellschaft zuerst im muslimischen Lager zu suchen. Wir alle waren wohl überrascht und zugegeben, vielleicht sogar ein wenig erleichtert, als klar wurde, dass der Täter Norweger ist. Ein Mann aus dem Westen. Und dennoch keiner „von uns“. Breivik, das zeigte er eindeutig durch seine Tat, sieht sich nicht als Europäer, nicht als Freund einer offenen Gesellschaft, vermutlich nicht einmal als Demokrat.

Ist Breivik die Personifikation des „neuen Feindes“ im Innern? Ist er die logische Konsequenz, die Weiterführung der Hasstiraden und der Aufwiegelung von rechtspopulistischen Parteien wie auch den anonymen Internetforen, die sich über die „Unterwanderung Europas durch den Muselmann“ auslassen und sich zusammen in ihrem ideologischen Sumpf suhlen? Ist er der, der nur den nächsten Schritt wagte, vom Wort zur Tat?
Breivik war ein Einzelgänger. Er hatte keine Familie, zu der er großen Kontakt pflegte. Zuletzt lebte er allein auf einem Bauernhof. Einige Jahre war er Mitglied der norwegischen Freiheitspartei, die Partei, die mit Stimmungsmache auf ansehnliche 23 Prozent kommt und ein großer Konkurrent der herrschenden Sozialdemokraten ist. Mit Breiviks kurzer Mitgliedschaft macht man derzeit natürlich keine Werbung, mit seinem Wahn will man sich nicht identifizieren lassen. „Von uns hat er das nicht!“ Tatsächlich schien Breivik die Politik nicht radikal genug zu sein.

Im worldwideweb inszenierte er sich als passionierter Jäger und als Kreuz- und Tempelritter. Er gab an, Mitglied einer skandinavischen Freimaurer-Loge zu sein. Breivik war allem Anschein nach ein junger Mensch auf der Suche nach Zugehörigkeit. Einer von vielen, die ihren Platz nicht finden können. Das ist nichts Ungewöhnliches. Vielen von uns geht es nicht anders. Aber Breivik war kein Fünfzehnjähriger in den Wirren der Pubertät. Seine Identitätssuche führte ihn zuerst zu Gruppierungen mit Weltverschwörungstheorien als Grundlage und weiter, als dies nicht mehr reichte, zur verstärkten Radikalisierung durch rechte Internetforen, in denen er sich mit amerikanischen und europäischen Bloggern austauschte. Er orientierte sich an jener namens- und gesichtslosen Internetgemeinde, die vorgeben, die „Stimme der Mehrheit“ zu sein, und sich gegen die islamische Invasion und gegen die weichen, liberalen Mainstreammedien zur Wehr zu setzen. Diese „Mehrheit“ sucht nicht die öffentliche Diskussion, sie pflegt keine Konfrontation in offenen Debatten. Auch Breivik blieb, bis zum großen Auftritt, anonym.

Wer ist nun schuld? Das Internet und seine Hassprediger, der pöbelnde Mob, der sich seine Fakten zurechtbiegt, bis sie zur hauseigenen, islamophoben Idee passen? Oder womöglich die Religion? Die norwegische Polizei bezeichnet Breivik als „christlichen Fundamentalisten“. Manche werden sich verwundert die Augen reiben: „Gibt es so was denn?“ Ist auf beiden Seiten der Glaube die Wurzel allen Übels? Auch hier haben wir Parallelen, wenn man sie denn suchen möchte, zum Radikalislamismus: Inquisition auf der einen, Dschihad auf der anderen Seite. Hier Hexenverbrennungen, dort Selbstmordattentäter. Hier Oslo, dort der 11. September 2001. Hier wie dort ist Religion ein Spalter und wird als letzter verbliebener Schutzwall einer gemeinschaftlichen, kulturellen Identität benutzt (oder missbraucht). Der Mensch ist nur ein kleines Wesen in einer ungeheuren Welt, deren Zusammenhänge er nie ganz verstehen wird. Die Folge ist Angst. Und Religion, Glaube, ist ein Anker. Er vereint. Und separiert. Aber bevor man von der christlichen Gemeinde in Oslo eine öffentliche Stellungnahme und Distanzierung vom „Fundamentalisten“ Breivik verlangt, sollte man sich vor Augen halten, dass es Menschen sind, die Glauben interpretieren und praktizieren. So wie nicht jeder Moslem radikal ist, so ist auch nicht jeder Katholik automatisch der Meinung, die heilige römische Inquisition wieder ins Leben rufen zu müssen, um Ordnung zu schaffen.
Das Böse, es ist der Mensch. Das Individuum.

Als weiterer Faktor kommen noch die politischen Parteien in Frage. Die Aufwiegler ebenso wie die Beschwichter, die offensichtliche Probleme nicht beim Namen nennen, keine konstruktiven Debatten einleiten können, ohne sich gegenseitig mit den Prädikaten „Nazi“ und „Islamhasser“ zu belegen. Was im politischen Umgangston Gang und Gäbe ist, ist auch in unserer Gesellschaft unübersehbar. Beschimpfungen statt Argumentation. Über den Kamm scheren, statt Differenzierung. Den populistischen Parteien geht es weniger um den proklamierten „Schutz“ Europas oder des Heimatlandes als darum, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Es geht nicht um Zukunft und Gestaltung, sondern um die Wählerstimmen des kleinen, verängstigten Mannes.

Derzeit geht die Suche nach den oder dem Schuldigen noch weiter. Wie lange wird es dauern, bis der Reflex wieder einsetzt? Bis ein paradoxer Umkehrschluss nahelegt, dass es im Grunde doch die Muslime sind, die schuld sind? Nicht, weil sie geschossen haben. Nicht, weil der Mörder aus ihrer Mitte kommt. Sondern, weil sie da sind. Weil es sie gibt. Weil ihre Anwesenheit Menschen wie Breivik stört. Weil sie, als Sündenböcke und Minderheit, von anderen Menschen verteidigt werden. Weil sie immer im Fokus stehen. Sei es bei Integrationsdebatten, Sozialleistungsschwindel, Kriminalität oder sonst wo. Wird Norwegen den Weg der Niederlande gehen, welches sich nach dem Mord am Regisseur Theo van Gogh im Jahre 2004 vom Vorzeigeland der kulturellen Vielfalt und Toleranz zu einer Gesellschaft der Angst und des Misstrauens wandelte? Anders Behring Breivik würde das gefallen. Es wäre ein wichtiger Sieg in Richtung der schrittweisen Auflösung der offenen Gesellschaft, die Menschen wie ihm ein Dorn im Auge sind.

Es ist bezeichnend, dass er sich als Opfer keine muslimische Gemeinde versammelt zum Freitagsgebet aussuchte. Er attackierte den „Mainstream“. Die verweichlichten Demokraten, die, anstatt ihr Land vor „denen“ zu schützen, „diese“ auch noch ungeniert auffordern, zu kommen. So wie wir Breivik als unseren Feind im Innern identifizieren, so sah er auch uns. Für ihn sind die Liberalen, die Toleranten, die Kritiker, die Offenen die Feinde im Innern. Unverständlich? Nicht doch! Auch al-Qaida tötete bisher weit mehr eigene Glaubensbrüder als ungläubige Westler. Es ist eine logische Konsequenz: die Andersdenkenden, die Fremden kann man vertreiben. Die „eigenen“ Leute, die sich im Innern gegen die Ideologie stellen – und womöglich weiter mit dem „Feind“ paktieren – gilt es zu identifizieren. Und ruhig zu stellen. Breivik folgt der Tradition historisch bekannter Diffamierungs- und Denunzierungsmaschinerien (Jakobinerdiktatur in Frankreich des 18. Jahrhunderts, Deutschland in den 1930ern und 40ern, Lenins und Stalins Sowjetunion und noch einige mehr). Sein Hass richtet sich gegen die eigenen Leute, die in seiner Vorstellung Verräter am eigenen Land sind.

Wer ist schuld? Die „Nationalen“? Die „Sozialdemokraten“? Der lasche oder der harsche Umgangston? Die Muslime? Die Religion?
Die Verantwortung am Tod der Menschen vom 22. Juli 2011 trägt der Attentäter. Es ist seine verblendete Weltsicht, die das eigene Erleben und Denken absolut setzt und keine andere als die eigene zu dulden bereit ist. Anders Behring Breivik wählte die Abschottung. Er blieb in der Welt, die er kannte und in der er sich verstanden fühlte, allen Gegenargumenten zum Trotz. „Europa wird nicht nur vom Islam, sondern auch vom Gutmenschentum unterwandert“, das ist seine Überzeugung. Dass es in Norwegen gerade einmal einen muslimischen Bevölkerungsanteil von drei Prozent gibt, dass z.B. auch die Geburtenzahlen von Türken seit Jahren rückläufig sind und es insgesamt eine höhere Ab- denn Zuwanderung gibt, so dass eine geplante „Invasion Europas“ unwahrscheinlich ist, dass von einem linken Mainstream angesichts des gesamteuropäischen Aufstiegs von populistischen Parteien und auflagenstarken „konservativen“ Medien kaum die Rede sein kann, dass sich die europäischen Regierungen mehr Gedanken um Währung und Rüstung, denn um Bildung und Hilfsmaßnahmen für die Flüchtenden und Hungernden machen, stört die Argumentationslinie der Breiviks unsrer Tage nicht.

Aber uns sollte es stören! Nicht nur weil wir jetzt ganz offiziell ins Fadenkreuz gerückt und zu Feinden erklärt wurden. Wollen wir den Populisten und Radaubrüdern das Feld überlassen? Uns von Menschen, die ihren Platz nicht gefunden haben und sich an den (selbst gewählten) Rand gedrängt fühlen, diktieren lassen, wie wir leben wollen und wem unser Mitgefühl gilt? Sollen jene uns unsere Fragen nach Zugehörigkeit beantworten, die glauben, in Pamphleten, Internetforen und Medien den Stein der Weisen gefunden zu haben? Soll Stereotypie über offene Augen und Ohren siegen? Sollen wir den Feinden der Demokratie und der offenen Gesellschaft – die nicht nur eine Gesellschaft „der offenen Arme“ ist, sondern eine Gesellschaft der Kritik und Gegenkritik, der unterschiedlichsten Lebens- und Glaubensauffassungen unter dem Dach gleichermaßen anerkannter Rechten und Pflichten – das Feld überlassen? 

Wie viel „Erfolg“ Breivik mit diesem brutalen Übergriff auf unsere Gesellschaft haben wird – die Beantwortung dieser Frage liegt allein bei uns.

Montag, 8. August 2011

Katastrophe mit Ankündigung...

Wieder einmal ist es soweit: in Ostafrika ist eine große Hungersnot in vollem Gange. Hunderttausende Somalier fliehen über die Grenze nach Kenia. Aber auch in Äthiopien und Kenia selbst blieb der Regen aus und die anhaltende Dürre vernichtete die Ernte und ließ das Vieh verdursten. Das UN- Welternährungsprogramm WFP sowie die unzähligen anderen internationalen Hilfsorganisationen bitten die internationale Gemeinschaft um finanziellen Beistand in Milliardenhöhe. Das größte Flüchtlingslager der Welt, Dadaab, einst angelegt für 90.000 Menschen, platzt aus allen Nähten. Hilfslieferungen werden behindert, Mitglieder von Organisationen bedroht. Kamerateams filmen große Flieger, LKWs, Camps und fruchtlose Steppe. Die bekannten Bilder von schiefen Hütten, von leeren Töpfen, von Kindern auf dünnen Beinchen mit aufgeblähten Bäuchen flimmern allabendlich über den Fernsehbildschirm. Die Welt ist wieder dabei beim „Elend Afrika“.

Vergessen sollte man aber nicht, dass diese Hungersnot nicht übles Schicksal ist oder ein drohender Fingerzeig Gottes. Naturkatastrophen sind schrecklich, ohne Frage. Aber gerade die Dürre in Afrika ist kein aus dem Nichts hereingebrochenes Unglück. Diese Katastrophe hatte eine lange Vorwarnzeit. Sie kam mit Ankündigung. Und darauf kann man sich vorbereiten. Man muss also sagen, dass die Hilfe verschleppt wurde. Und zwar nicht nur die Soforthilfe. Die Politik wartete lieber ab, als die ersten Warnungen ausgegeben wurden. Der Beitrag der großen Staaten kam erst – und auch dann eher zögerlich -, als die Maschinerie des Mitleids in Form von Spendenaufrufen anlief und der Otto Normalbürger tief in seine Taschen griff.
Die Weltgemeinschaft wird zunehmend knausriger, was wohl auch wie der Soziologe Jean Ziegler bereits betonte, daran liegen mag, dass man in den letzten Jahren die heimischen Bankhäuser und die lokale Wirtschaft wieder auf die Beine bringen musste. Derzeit haben die Wohlbetuchten ihre eigenen Päckchen zu tragen: So müssen beispielsweise die Amerikaner erkennen, dass sie finanziell doch nicht mehr so gut da stehen und bekriegen sich im Kongress gerade gegenseitig und die EU muss ihre bankrotten Südländer auf Kurs bringen. Geld für Brot für die Welt? „Jetzt grad nicht, danke.“

So bleibt es vor allem an der „Mitleids-Industrie“ (unter diesem Begriff summierte die niederländische Journalistin Linda Polman die global agierenden Hilfsorganisationen) finanzielle Soforthilfe zu beschaffen. Damit werden aber die Probleme nicht kleiner. Im Gegenteil: seit Jahren stehen die Geldspenden wie auch die zum Teil wenig durchdachten Projekte in der Kritik, Afrika nicht zu helfen, sondern klein zu halten. Nicht die viel geforderte Hilfe zur Selbsthilfe wird angestrebt, sondern der Korruption Tür und Tor offen gehalten. Milizen, schwache Regierungen, Clans bereichern sich an dem, was den Ärmsten des Landes zu gute kommen soll. Im Kampf um die Spendengelder operieren die Entwicklungshilfeorganisationen gern gegeneinander statt miteinander. So zwingend und dringend Soforthilfe sein mag, das Heilmittel für Afrika ist sie nicht.

Einen wesentlicheren Beitrag kann nur die Politik liefern, um die Verhältnisse zu verbessern und auch um sich auf Notsituationen wie die derzeitige besser vorzubereiten. Es ist dringend angeraten, die wirtschaftlichen Beziehungen zu ändern, unser Bild von Afrika zu ändern. Wir vergessen gern: Nicht in ganz Afrika herrschen Mangel und Hunger. Nicht in allen afrikanischen Staaten sind korrupte Beamte, semidiktatorische Regierungen und einfallende Islamisten am Werk. Somalia, welches seit Ende der 80er Jahre im Bürgerkrieg zerrieben wird, ist nicht das Aushängeschild Afrikas. Ein Gegenbeispiel dafür, dass aus einer Militärdiktatur auch eine Demokratie werden kann, ist u.a. Ghana. So wie in vielen Teilen Afrikas Armut, Kriege, Hunger und Aids das Leben der Menschen bedroht, so gibt es auch funktionierende Kleinwirtschaft, Infrastruktur, Mobiltelefone und Internet. Nicht alle Afrikaner sind Stammesmitglieder, verhungernde Gestalten und Medizinmänner. Dem Europäer mag es vielleicht nicht in den Sinn kommen, aber er blickt immer noch wie ein Kolonialherr auf Afrika hinunter. Auf die armen, ungebildeten Schwarzen, die sich nicht selbst helfen können. Nun, ganz falsch ist das vielleicht nicht: Man kann sich nicht selbst helfen, wenn man nicht ernst genommen und stattdessen in seiner Hilfslosigkeit belassen wird. So wird Entwicklungsarbeit zu einer Farce statt zu einer echten Hilfe.
Es wäre an der Politik, endlich wahre Diplomatie walten zu lassen und die Grundlagen der wirtschaftlichen Beziehungen zu überdenken. Es braucht neue Konzepte für den Aufbau einer zukünftig gleichberechtigten Partnerschaft. Wirtschaftlich und politisch ist Afrika (noch) nicht auf einer Stufe mit seinen Geschäftspartnern. In ungleichen Beziehungen muss einer Seite übergangsweise mehr eingeräumt werden – allerdings, um den Mangel kompensieren zu können und nicht, um den ohnehin Stärkeren noch weiter zu bevorteilen. Der Geldgeber hat seine eigenen Interessen, natürlich. Aber was ist mit den Interessen der Afrikaner? Warum verweigert man ihnen die Möglichkeit, Handel zu treiben, Geld zu verdienen und sich selbstverantwortlich aus der Abhängigkeit zu befreien? Warum lässt man zu, dass dieselben Spekulanten, die schon den Immobilien- und Finanzmarkt an den Abgrund drängten, auch die Agrarpreise in die Höhe trieben, so dass sich die Bauern die eigenen Produkte nicht mehr leisten können, um sich für Notlagen wie diese einzudecken?

Viele von uns stöhnen über die Spendenaufrufe, misstrauen der milliardenschweren Industrie dahinter, äußern den Verdacht, dass das Geld sowieso nicht ankommt und betrachten Afrika als hoffnungslosen Fall. Es gebe aber konkrete Wege dies zu ändern. Durch den Aufbau tatsächlich fairer Handelsbeziehungen hätten beide Seiten gewonnen – auch wenn die reichen Geberländer erst einmal Verluste hinnehmen müssten: die Märkte müssten für afrikanische Produkte geöffnet werden. Den Afrikaner müsste Selbstbestimmung über die Produktion von Endprodukten gewährt werden, statt sie weiter als Rohstoff- und Arbeitskräftelieferanten und Abnehmer für chinesische Billigwaren zu missbrauchen. Europäer müssten ihre unsäglich ungerechte Agrarsubventionierung aufgeben. Die Afrikaner müssten eigenverantwortlich Projekte für die Entwicklung antreiben. Die Gelder dafür zu kontrollieren ist gerechtfertigt, überbordende Bürokratie, die mehr behindert als vorantreibt aber nicht. An Verhandlungstischen sollte man beim Einsatz von Entwicklungsgütern und –geldern vermehrt auf die aufstrebenden, gut ausgebildeten, intelligenten jungen Afrikaner hören, die ihr Land und ihre Leute besser kennen. Jedes Volk hat seine Wurzeln, seine Traditionen und Werte: eine geistige Heimat. Es gibt nicht nur die europäische, amerikanische, asiatische Sicht auf die Welt. Das hat durchaus seinen Reiz und auch seine Vorteile. Partnerschaftlich kann man aber nur miteinander verhandeln, wenn man die Unterschiede seines Gegenübers wahrnimmt und zwar nicht gönnerhaft oder belächelnd, im Wissen, dass man es selber doch besser weiß.

Afrika nicht mehr als Selbstbedienungsladen zu verstehen, dürfte ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte werden – wenn es denn irgendwann einmal angeschoben werden sollte. Und selbst dann müssten alle Bemühungen bei einem Krisenherd wie Somalia im Sande verlaufen bis endlich Frieden herrscht. Der Westen hätte diesen Zustand durch rigorose Rüstungsgesetze und Waffenkontrollen zumindest entgegen kommen können. Noch eine weitere Katastrophe in Afrika mit Ankündigung.

Freitag, 22. Juli 2011

Deutsche Exportschlager...

von Tanja A. Wilken

Made in Germany – das ist seit vielen Jahrzehnten ein Synonym für Wertarbeit und Ingenieurskunst, für Produkte, die sich auch in der globalisierten Welt nicht vor der Konkurrenz verstecken müssen. Mit dem Slogan vom „Exportweltmeister Deutschland“ schmückten und schmücken sich Parlamentarier und Wirtschaftsbosse. In einer besonderen Sparte belegen wir zurzeit einen hervorragenden dritten Platz gleich hinter den USA und Russland. Dumm nur, dass es sich bei diesem Wirtschaftszweig um eins dieser „Schmuddelkinder“ handelt, für die man besser keine Hochglanzwerbung zur besten Sendezeit schaltet: die Rüstungsindustrie. Kaum von der Öffentlichkeit registriert, verdient der deutsche Staat an der Verschiffung von Flugzeugen, U-Booten, Minensuch- und –räumgeräten und Feuerwaffen viel Geld. Sehr viel Geld. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI schätzt, dass 2010 weltweit etwa 1630 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben wurden – deutsche Hersteller und Exporteure werden ihren Teil davon abbekommen haben.

Das Geschäft mit Waffen boomt. Und natürlich bedienen deutsche Hersteller wie „Heckler & Koch“ nicht nur den heimischen Sportschützenbedarf. Das kann man wissen. Warum also jetzt diese Aufregung um den Verkauf von 200 Leopard-2-Panzer an Saudi-Arabien (geschätzter Gegenwert 1,7 Milliarden Euro)? Weil der Zeitpunkt falsch gewählt ist? Man kann tatsächlich einwenden, dass die außenpolitische Botschaft nach unserer Zurückhaltung beim Libyen-Einsatz und den eher vorsichtigen Kommentaren zu den Ereignissen des arabischen Frühlings nun eine sehr zwielichtige Lesart bekommt: „Erst die Geschäfte, dann die Menschenrechte“.

Allerdings kann sich das repräsentative moralische Gewissen in Gestalt der Opposition ihr Aufheulen an dieser Stelle sparen. Rüstungsexporte sind keine Erfindung von Schwarz-Gelb: unter der rot-grünen Regierung stieg der Wert an deutschen Kriegswaffenausfuhren ab 1998 stetig an. 2004 betrug er laut offiziellen Angaben (die erst zwei Jahre später präsentiert wurden) stolze 1,1 Milliarden Euro – das ist der dritthöchste Wert seit 1996. Besonders bemerkenswert ist dabei die sozialdemokratisch-ökologische Definition des Begriffs „Entwicklungshilfe“: Ein Drittel aller Rüstungsexporte gingen an Entwicklungsländer. Also an Regionen die bekannt sind für ihre wirtschaftliche und politische Instabilität!

Auch der Panzer-Deal mit Saudi-Arabien war schon einmal Gegenstand heißer parlamentarischer Debatten: 1981 scheiterten Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher – damals allerdings an der schwarzen christlich-demokratischen Empörung. Mehr Glück hatte Riad mit Helmut Kohl. Unter dem Einheitskanzler kamen Waffendeals im Wert von 110 Millionen Mark zustande. Und noch bis 1990 wurden Exporte von Chemieanlagen und Chemikalien in den Irak genehmigt und spülten 3,9 Millionen in die deutsche Staatskasse. Angesichts der fetten Ausbeute hatten wohl nur wenige Bonner Politiker Saddams Giftgasfabriken im Sinn.


Es spielt keine Rolle, welche Regierungskoalition man genauer unter die Lupe nimmt: Waffenexporte gab es zu jeder Zeit. Und es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sich dies in absehbarer Zukunft ändert.


Wenn sich dann von Zeit zu Zeit - wie jetzt - die oppositionelle „Vernunft“ mahnend zu Wort meldet und auch die Bürger Notiz nehmen, verweist man auf die harschen Kontrollen und Gesetze. Darauf, dass längst nicht jeder Anfrage aus dem Ausland nach deutschen Rüstungsgütern stattgegeben wird.

Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz reglementieren in Deutschland den Export. Der Bundessicherheitsrat unter Leitung des Bundeskanzlers entscheidet über die Waffengeschäfte – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das übrige Parlament erfährt erst im Nachhinein, welche Deals mit wem zustande gekommen sind. Es ist auch schwierig, genaue Angaben über den erzielten Umsatz zu erfahren. Die Bundesregierung beispielsweise gibt generell niedrigere Zahlen an als SIPRI, da sie z.B. den Handel mit Restbeständen der Bundeswehr aus der Statistik herausfallen lässt. Transparenz sieht anders aus.

§ 6 des KrWaffKontrG verbietet die Lieferung von Waffen an Staaten, wenn die Gefahr besteht, dass diese zur „friedensstörenden Handlung“ benutzt werden (z.B. für Angriffskriege). Die Ausfuhr in Krisengebiete ist untersagt ebenso wie an Staaten, die die Menschenrechte eklatant missachten. Aber was verstehen Waffenexporteure und der deutsche Staat unter „Krisengebiet“ und „eklatant“? Es war kein Problem für die Bundesregierung in früheren Jahren die Taliban mit Waffen zu bestücken – Afghanistan galt also nicht als Krisengebiet. Libyens Gadhafi galt als berechenbarer Bündnispartner, den man mit deutschem Kriegsgerät ausstattete, damit dieser bei der „Grenzbefestigung“ behilflich sein konnte.

Parteinahme kann man Unternehmern und Staat nicht vorwerfen. Man beliefert die eine Seite und rüstet die andere gleich mit auf, wie im Fall Türkei und Griechenland, die derzeit zu den Hauptabnehmern gehören. Das ist Gerechtigkeit! Jeder bekommt einen Teil des Kuchens.

Im Falle Saudi-Arabiens, ebenfalls kein Musterbeispiel für die Anerkennung allgemeiner Menschenrechte, wird zur Argumentation der iranische Erzfeind in die Waagschale geworfen. Die Saudis sind zwar keine Freunde Israels aber ein wichtiger Gegenpol zur potentiellen iranischen Atomgefahr.

„Der Feind meines Feindes…“ Auch diese Gleichung funktionierte in der Vergangenheit immer nur kurzfristig. Egal, wen wir bisher im Nahen und Mittleren Osten waffentechnisch unterstützen, um Stabilisierung zu erzeugen: das Gleichgewicht zwischen den Kräften war bestenfalls provisorisch. Früher oder später wurden deutsche Waffen nicht mehr (nur) benutzt, um sich gegen Feinde zu verteidigen, sondern dafür, die eigene Bevölkerung in Schach zu halten oder auch, um den einstigen Verbündeten im Westen zu bedrohen.

Öffentlich wirkt das geopolitische Argument natürlich besser als die nackten wirtschaftlichen Interessen. Tatsache aber ist, dass sich die Wirtschaftskrise auch auf die Militärausgaben auswirkt. Hinzu kommt, dass mit der Abschaffung der Wehrpflicht und dem Sparzwang, unter dem die Bundeswehr steht, diese als Großabnehmer immer mehr ausfällt – gut also, dass die Saudis deutsche Wertarbeit zu schätzen wissen, die revolutionären Tendenzen um sich herum nicht gutheißen und den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad fürchten. Zwischen russischen, amerikanischen, europäischen und chinesischen Waffenhändlern entbrennt der Kampf um die weitere Erschließung eines lukrativen Marktes – im Nahen Osten, in Nordafrika und Südamerika. Keine Lieferung in Spannungsgebiete? Die Regeln des Marktes besagen aber, „wenn wir´s nicht machen, macht es ein anderer!“

Und so werden sich weiterhin hehre Vorstellungen, wie die von der deutschen Nation als Friedensstifter (so will es schon die Präambel des Grundgesetzes!), mit der wirtschaftspolitischen Wirklichkeit reiben. Und zurückstehen. Denn unsere Politiker denken in Aufträgen (so Entwicklungsminister Dirk Niebel) und wollen deutschen Unternehmen die Türen für den globalen Markt öffnen (Außenminister Guido Westerwelle). Ein bisschen mehr Weitsicht für das, was sich hinter der Tür auftut, hat aber noch keinem geschadet.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Der virtuelle Stammtisch...

von Tanja A. Wilken

Unsere durchs Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit ist eine feine Sache, ein demokratisches Fundament. Der Pfeiler einer freien Gesellschaft, in der die Meinung eines jeden geachtet wird. Kein Propaganda-Ministerium schreibt uns vor, was wir zu denken, zu sagen und zu schreiben haben. Und das Internet ist eine junge Form, diesem Recht Ausdruck zu verleihen. Die Freiheit geht einher mit einer Unbegrenztheit, wie sie nur das World Wide Web jedem zur Verfügung stellt, der über PC und Internetanschluss verfügt. Zur Meinungsfreiheit gehört auch unbegrenzte, zensurfreie Verbreitung persönlicher Ansichten. Auch wenn zur eigenen Weltsicht Verschwörungstheorien und rassistische Diskriminierungen gehören. Die Reihe von Plattformen, die den Rassismus im neuen Gewand – gerne bezeichnet als Islamophobie – hofieren, ist beachtlich. Die Parallelen zum Antisemitismus sind unübersehbar – und werden von Betreibern doch weit von sich gewesen.
Im Vordergrund stehe die Sorge um die Bedrohung der Freiheit durch die Islamisierung unserer Gesellschaft. Der Islam sei keine Religion, sondern eine Gesellschaftsform mit Weltherrschaftsanspruch, die den Hang zum Terrorismus seinen Mitgliedern mit der Muttermilch einimpft. Wer hier gleich an Hetze denkt… nein, um Kritik geht es, um die Wahrung der Menschenrechte und der Demokratie! So sagen es die Betreiber einschlägiger Foren. Und man achtet tunlichst darauf, die „redaktionellen“ Beiträge seiner Autoren am Gesetz (sprich: unterm Radar des Verfassungsschutzes) auszurichten. Um zu sehen, wie aus vermeintlicher Kritik nichts als ein Podium für blanke Hetze wird, muss man den Blick unter die Artikel auf die Kommentarleiste richten: hier reiht sich ein rassistisches Vorurteil ans nächste; der virtuelle Stammtisch tobt sich aus und beleidigt alles vom „Kanaken“ über die vom Ausländer ferngesteuerten Politiker bis zum weichgespülten Gutmenschen. Von den Menschenrechten, der Menschenwürde, einem entscheidenden Grundsatz des von den Machern so viel beschworenen Grundgesetzes bleiben zwischen Verleumdungen, Bedrohungen und Ausrottungsphantasien nicht mehr viel übrig.

Tja, jedem steht es zu, seine Meinung zu haben, „und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. So steht es geschrieben, so ist es. Dabei die Meinung zu vertreten, die eigene Nation werde von Fremden unterwandert, ist geschriebenes Recht. Kritikern dieser Seiten wird die Unterstützung und Verbreitung neorassistischen Gedankenguts vorgeworfen – auch das ist Recht.
Um zu erkennen, was Kritik von Hetze unterscheidet, müssen wir fragen: Was ist das Wesen der Kritik? Wir kritisieren Dinge und Zustände, weil wir auf eine Veränderung hoffen. D.h. Kritik muss zuallererst differenziert sein. Selbst wenn sie auf dem ersten Blick polemisch daherkommen mag, sobald es ums „Eingemachte“ geht, darum, dass aus einer bloßen Äußerung eine Stellungsnahme wird, die Veränderung bewirken will, muss sie sich der Gegenargumentation stellen. Kritik und Meinungsfreiheit beinhalten eben nicht Pauschalisierung. Wie wirkt man der entgegen: durch Informationen, die uns erlauben verschiedene Sichtweisen kennen zu lernen, die unserer eigenen Meinung entgegenstehen. Und ab hier wird es knifflig, denn die vermeintlichen Wächter der Meinungsfreiheit, die ihrerseits den gängigen Medien Mitwirkung an der Vertuschung der islamischen Gefahr unterstellen, verzerren die Informationen, die sie zur Verfügung stellen, doch ganz erheblich: aus der Freiheit der Meinungsbildung wird reine Meinungsmache. Man gibt vor, sich aus den unterschiedlichsten Medien zu bedienen, um ein ungetrübtes Bild der Wahrheit vor dem Leser auszubreiten.
Die Methoden der Meinungsmache sind uralt, sie funktionieren, seit es Zeitungen und Politik gibt: jemand schwingt sich zum Sprachrohr einer vermeintlichen Mehrheit (siehe jede zweite BILD- Überschrift, z.B. „Wir Deutschen“, „So denken die Deutschen tatsächlich über XY“) oder einer bedrohten Minderheit („Wir unterdrückten Deutschen gegen die schleichende Islamübernahme“) auf und gibt vor, eine „aufgeklärte“ Gegenöffentlichkeit bilden zu wollen. Dann wird zwecks der plattformeigenen Propaganda manipuliert, aus dem Zusammenhang gerissen, Versatzstücke präsentiert, passende Sprachbilder geschaffen, um gewünschte Assoziationen zu wecken. Statistiken dienen ja auch immer dem, der sie gerade liest. Zudem hetzen die Betreiber den eigens gefütterten Mob nebst erprobtem Kampfvokabular auf die Sites anderer Magazine, gerne auf bekannte und viel frequentierte Tageszeitungen, wie die „Taz“ und „Die Welt“. Dient natürlich alles nur der freien Meinungsbildung. Oder der Verbreitung eines höchst eingeschränkten Weltbildes.

Die Freiheit als mächtige, Demokratie stiftende Größe, tragen die Macher und Kommentatoren wie eine Fahne vor sich her. Allerdings entscheiden sie, wem diese Freiheit zuteil wird. Unpassende Kommentare (vornehmlich die, welche sich kritisch zu den Aussagen der Artikel äußern) werden von den Betreibern gelöscht oder – viel spannender und zudem Gemeinsinn weckend - den anderen Stammtischteilnehmern zum „Abschuss freigegeben“. Freiheit gehört den meinungskonformen (in diesem Sinne ausschließlich „Ausländer- kritischen“), weißen Männern, die keinesfalls „rotes Geschmeiß“ wie die Linken, Grünen oder die SPD wählen (welche Auswahl da noch übrig bleibt, kann man sich ja denken).

Es gehört auch zur Meinungsfreiheit, sich ausschließlich in solchen Foren zu tummeln. Wer sich also der gezielten Agitation aussetzt, ist der dumm oder hilflos? Die Antwort entscheidet sich von Fall zu Fall. Die Idealisten müssen sich von der naiven Vorstellung verabschieden, dass jeder Mensch sowohl willens als auch fähig ist, sich der Meinungsmache zu entziehen. Im Kreise Gleichgesinnter fühlen wir uns nun mal am wohlsten. Nicht jeder empfindet Konfrontationen und Diskussionen als belebend. Und nicht jeder würde, hätte er nur brauchbare Informationen zur Hand und alternative Quellen zur Verfügung, seine Einstellung ändern. Es bleibt nur zu hoffen, dass manche die freie Welt des Internets nutzen, um sich hin und wieder woanders umzusehen.

Dienstag, 21. Juni 2011

Von Bildern und Quoten...

von Tanja A. Wiken

Wie hätten wir ihn denn gern, den guten Migranten? Nett soll er sein. Verfassungskonform und patriotisch. Assimiliert mit der deutschen Kultur. Gewandt in der Sprache. Und bitte, bescheiden im Hintergrund. Aber nicht lauernd! Parallelgesellschaften und Ghettoisierungen sind schlecht – was nicht heißt, dass er eine Gartenlaube in direkter Nachbarschaft zu Meier und Schmidt haben muss. Überhaupt, Cliquenbildung sehen wir nicht gern – das wirkt so verschwörerisch. Am liebsten ist uns der Ausländer oder Migrant, den wir nicht wahrnehmen, von dessen Anwesenheit, religiösen und kulturellen Eigenarten wir nichts mitbekommen. Sein Essen nehmen wir gern, seine Moscheen kann er behalten. Sozialschmarotzer soll er nicht sein – die Arbeit aber den Deutschen lassen. Ausgenommen natürlich die Tätigkeiten, die wir selbst nicht machen wollen: Müll entsorgen, Toiletten in Fastfood-Restaurants schrubben, mit gebücktem Kreuz den lieben langen Tag Spargel stechen usw.
Der gute Migrant ist nach Möglichkeit bitte nicht osteuropäisch: die sehen schon so verschlagen aus. Die Russen sind mafiös und die Türken prügeln und vermehren sich zuviel. Wie der schlechte Migrant aussieht, was er so treibt, wissen wir ganz genau: Dieses Bild hat sich durch jahrzehntelange Alltagserfahrung (z.B. im Berliner „Sarrazin-Land“) und durch objektive Berichterstattung geprägt: „Prügel-Türken“, „Rote Rüpel“ & „Gyros-Bomber“ (kleine Auswahl aus dem BILD-Wörterbuch).
Lieb ist uns der Ausländer, der im Deutschland-Trikot Tore schießt. Der, über den wir lachen können – weil er als Comedian über seine Leute herzieht (den feinen Spott am Deutschtum können wir dabei gönnerhaft übersehen). Und der, der seine Herkunft verleugnet. Naja, ansehen tun wir`s ihm natürlich trotzdem. Ist schon vergebliche Liebesmüh. Aber den unbedingten Willen zum Abstreifen alles Griechischen, Türkischen, Serbischen wollen wir schon. Sonst hat das ja nichts mit Integration zu tun.
Erfreuen können wir uns auch am Vorzeige-Migranten. Dem mit Hochschulabschluss, Job in der Forschung, mit Parteibuch (vorzugsweise SPD oder CDU). Jemand der suggeriert: „Ich bin Keiner mit kulturzersetzendem Auftrag!“ So einen kann man gebrauchen für Werbetafeln und Commercials (dafür nimmt man aber auch gerne ukrainische Boxer), als Gegenbeispiel für den U-Bahn-Schläger / Integrationsverweigerer. Und zur Imageverbesserung einer Partei.
Und wenn man bisher versäumt hat, den Vorzeige-Migranten in die Parteiführung durchzulassen, dann muss halt eine Quote her. Die SPD hatten diesen grandiosen Vorschlag jüngst zur Disposition gestellt. Wenn selbst Grüne, FDP und die CDU Migranten auf bedeutende Posten setzen, kommt die ursoziale Partei in Zugzwang, dachte sich Gabriel, kam aber nicht so recht an bei den anderen Genossen. Es ist ja auch so: Es gibt wohl kaum ein unbeliebteres Instrument in Wirtschaft und Politik als die Quotenregelung. Dabei will man damit – vordergründig – ja nur Gutes: ein Ungleichgewicht beheben, diskriminierte Gruppen stärken, also Frauen, Behinderte und nun Migranten. Dummerweise haftet der Quotenanstellung etwas pauschal Verurteilendes an: Man stellt ein, weil einem noch der politisch korrekte Rollstuhlfahrer fehlt, weil die durchgängig männliche Führungsriege im DAX- Unternehmen so wenig weltmännisch wirkt und weil man, z.B. den Parteiausschluss gegen einen Verbreiter irrlichternder Genetik und Abtrünnigen ureigener sozialdemokratischer Grundsätze („Herkunft ist kein Schicksal!“) vergeigt hat und einem die ganzen Migranten (dummerweise eine Hauptklientel) aus der Partei davonlaufen.
Man könnte aber auch argumentieren, dass Quoten Missstände nicht beheben, sondern Vorurteile noch schüren: Wer nach Quote eingestellt wird, wird nicht zuvorderst aufgrund seiner Qualifikation eingestellt. Sagt man. Stimmt vielleicht nicht unbedingt, aber manche Klischees halten sich hartnäckig.
Zudem birgt es das Problem der Klassifikation. Was bei der Frauenquote relativ einfach ist (man kann sie ja ganz gut erkennen), gestaltet sich schwierig bei der Migrantenquote: Um als leuchtendes Beispiel des guten Migranten in die Parteigremien einziehen zu können, muss erst mal geregelt sein, wie viel Quantum am Migrant-Sein erfüllt werden muss. „Wie viel Prozent Ausländer und wie viel Prozent Deutscher hätten Sie denn gern?“ Die Quote, die eigentlich eine Stärkung sein soll, wird zum Ausmusterungs-Werkzeug.
Ein bisschen ist es auch so, dass in der Forderung nach einer Quotenregelung das Eingestehen des eigenen Versagens mitschwingt. Ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Eintreffen der ersten Gastarbeiter haben wir immer noch ein sehr „bescheidenes“ Bild vom Migranten. Besser sicherlich als zu anderen Zeiten. Aber wir unterteilen, klassifizieren, etikettieren: die Guten gegen die Bösen. Nette, aber faule (zumindest verschwenderische) Südländer und böse, kriminelle Osteuropäer.
Diskriminierungen gab es zu allen Zeiten. Frauen, Schwule, Schwarze... Es ist eine endlose Liste. In den allermeisten Fällen änderte sich das Bild der „schwachen Frau“, des „unterprivilegierten Schwarzen“, des „perversen Schwulen“ nur durch einen zähen, langwierigen Kampf, durch eine beschwerliche – aber durch den Lauf der Zeit (und mittels Gesetze) gestützte – Emanzipation. Auch wenn viele Vorurteile weiterhin nicht auf taube Ohren stoßen – die Bilder ändern sich, allen Quäkern und Philistern zum Trotz.
Wäre ja auch dumm, bliebe an uns ewig das Bild des besserwisserischen, nörgelnden, latent xenophoben Deutschen kleben, der seinen Spargel nicht selber stechen will und den armen Griechen androht, ihnen ihre Akropolis im Ramschverkauf zu entreißen.

Montag, 6. Juni 2011

Vom Drang die Welt zu retten...

von Tanja A. Wilken

Vor 50 Jahren hatte ein guter Mensch eine gute Idee: 1960 erregte die Verhaftung zweier portugiesischer Studenten die Aufmerksamkeit des britischen Anwalts Peter Benenson. Spontan hatten sie sich mit dem Trinkspruch, „Auf die Freiheit!“ zugeprostet. Dummerweise wurde dies unter der damaligen Salazar-Diktatur nicht gern gehört und die beiden wurden kurzerhand eingesperrt. Die Empörung über diese Willkür veranlasste Benenson zu handeln: Er und einige Gleichgesinnte schrieben Briefe an die portugiesische Regierung mit der Bitte um Freilassung der Studenten. Man könnte das für ziemlich naiv, vielleicht sogar lächerlich, halten: Briefe schreiben gegen die Freiheitsberaubung in einer Diktatur! Tatsächlich verbuchten Benenson und seine Mitstreiter aber einen Erfolg – die Gefangenen wurden freigelassen. Kurze Zeit später veröffentlichte Benenson in der britischen Tageszeitung The Observer den Artikel “The Forgotten Prisoner“, in dem er die Idee einer Organisation darlegte, die sich dem Kampf für die Menschenrechte politisch Gefangener verschreibt. Die Ziele fasste er am Ende zusammen: unparteiisches Eintreten für die Freilassung von Menschen, die aufgrund ihrer Meinungsäußerung eingesperrt wurden oder zumindest das Erreichen eines fairen, öffentlichen Verfahrens; die Ausdehnung des Asylrechts und die Unterstützung politischer Flüchtlinge bei der Arbeitsaufnahme und schließlich, den großen internationalen Staats- und Verwaltungsapparaten bei der Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung auf die Finger schauen. Allen Unkenrufen zum Trotz, die die idealistischen Aktionen Einzelner belächeln und meinen, man könne die Welt so nicht ändern und seine Zeit besser nutzen, blieb Benenson kein Träumer, der allein im stillen Kämmerlein über den Zeitungen brütet: aus der urgent action, dem Schreiben von Protestbriefen, entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit die international agierende Organisation Amnesty International, die mittlerweile an die drei Millionen Mitglieder umfasst.

An dieser Entstehungsgeschichte zeigt sich, dass Empörung ein wichtiger Schlüssel, ein Katalysator für etwas Großes sein kann.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, zu denen sich die Mitglieder der Vereinten Nationen bekannten. Aber noch im 21.Jahrhundert sind viele Menschen durch ihren Geburtsort, durch ihren religiösen und kulturellen Hintergrund, aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts – kurzum: durch puren Zufall – gleicher als andere. Es ist wichtig, dass sich unter uns Querulanten und Optimisten finden, die sich daran stören, dass in dieser großen weiten Welt verdammt viel Mist passiert und viele Menschen oft Schicksale erleiden müssen, für die nicht sie selbst, sondern die Mächtigen um sie herum die Verantwortung tragen.

Es gibt mittlerweile immer mehr Menschenrechts- und Hilfsorganisationen – wenn man so will, „Berufs-Empörer“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diesen Missständen offen entgegenzutreten. Sie kämpfen, mit teils unterschiedlichen Schwerpunkten, um das gleiche Ziel. Und in einer Zeit medialer Reizüberflutung, in der eine Katastrophe nach der anderen verhandelt wird und somit die „Katastrophe“ als solche beinahe inflationären Charakter hat, müssen die verschiedenen Organisationen auch um Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit buhlen, und um Mitglieder, ehrenamtliche Helfer und Spendengelder. Es scheint, dass auch die zahlreichen Weltverbesserungs-AGs in einen Wettstreit miteinander geraten sind. Da ist die Außenwirkung wichtig, das Marketing und das Profil. Auch Amnesty International machte mit und begann ab 2001 sein Grundsatzprogramm zu ändern. Jahrzehntelang waren es vornehmlich die anonymen politischen Gefangenen, denen man eine Stimme geben wollte. Die Organisation betonte von Anfang an, sich von Ideologien und von politischer Einflussnahme fernhalten zu wollen. Vor zehn Jahren aber beschloss man, sich auch wirtschaftlichen und sozialen Rechten und ihrer Durchsetzung zu widmen. Wirtschaft und Politik sind aber per se miteinander verwobene Minenfelder, auf denen hehre Ansprüche und der Wunsch nach Unabhängigkeit einem leicht um die Ohren fliegen können. Ohne Zugeständnisse keine Weltrettung.

Es mag sein, dass man Rechte nicht hierarchisieren kann, wie Irene Khan (bis 2009 die Frau an der Spitze von Amnesty International) einmal sagte, um die Programmänderung zu erklären. Gehört nicht auch das Recht auf sauberes Wasser, Bildung und Wohnung zum Menschsein? Das Problem ist nur, wann wird es zu viel? Wann torpediert man eine gute Idee mit zu vielen Erwartungen? Wann verliert man durch Dauerpräsenz auf allen Gebieten sein Gehör bei denen, mit denen man verhandeln will? Und bei denen, die einen unterstützen sollen, sich aber bei dem Übereifer verwundert nach den Grundsätzen umschauen? Wann bewirkt man vor lauter gutem Willen letztlich gar nichts mehr?

Wer zu viel will, verheddert sich auf den vielen Baustellen dieser Welt. Niemand kann an allen Fronten kämpfen, sämtliche Waisenkinder aus Kambodscha adoptieren, Trinkwasserbrunnen betreiben, die wirtschaftliche Ausbeutung ärmerer Länder stoppen und zugleich den heimischen Wohlstand fördern, damit allen Flüchtlingen Nordafrikas ein lauschiges Plätzchen im hauseigenen Garten zum campieren geboten werden kann.
Unser Blick ist begrenzt, die Möglichkeiten auch. Ein guter Mensch ist auch schon der, der seinen Blick und seinen Verstand offen hält und der spontan in einer bestimmten Situation das Notwendige tut. Dafür reicht schon Empathie mit einem guten Schuss Empörung.